Monat: Juli 2012
Jiddu Krisnamurti – Worth a Second Reading
Jiddu Krishnamurti
[Philosopher, b. 1885, Madanapalle, India, d. 1986, Ojai, California.]
Radikale Verneinung von Guruismus, Religion und Organisation und ebenso radikaler Bejahung von Freiheit, Lebendigkeit, Aufmerksamkeit.
„Es sollten keine Organisationen gegruendet werden, die die Menschen auf einen bestimmten Pfad fuehren oder noetigen. Wenn eine Organisation gegruendet wird, so wird sie zu einer Kruecke, die euch schwaecht, zu einem Gefaengnis. Organisationen verkrueppeln das Individuum, hindern es daran zu wachsen und seine Einzigartigkeit zu leben.“
Es wird immer klarer, dass nicht Umweltprobleme, Hungertod und Armut oder die allgemeine Ungerechtigkeit das eigentliche Anliegen sind, sondern die Tatsache, dass die Menschen selber mehr und mehr zum Terror dieser Welt werden. Es sind Menschen, die einander zerstoeren. Sie spalten sich durch zerstoererische trennende Vorgaenge in Klassen und Nationalitaeten. Wir sind zu einer gegenseitigen Gefahr geworden; denn uns trennen die organisierten Religionen, die Glaubensbekenntnisse und Dogmen mit ihren Ritualen, dieser ganze Unsinn. Kriege, Kriegsvorbereitungen und Atombomben. Sie alle kennen den Schrecken dieser Welt. Warum sind wir nach Jahrmillionen der Evolution, in denen wir enormes Wissen und Erfahrung gesammelt haben, immer noch dieselben? Warum leiden wir immer noch, hassen einander immer noch, leben in persoenlichen Illusionen? Warum sind wir stammesgebunden, setzen uns fuer Nationalitaeten ein? Wo liegt die Ursache hierfuer? (Krishnamurti o. J., S. 79)
Das Ich
Ein zentraler Punkt in der Lehre Krishnamurtis ist die Frage nach dem Ich.
Während die Aufgabe der Psychologie bei Freud darin liegt, unbewusste Ich-Anteile in das Ich zu integrieren, um auf diese Weise (bereits aufgetretene) Konflikte aufzuloesen, erkennt Krishnamurti bereits in der Annahme der Existenz eines Ichs das eigentliche Problem: Nicht eine Ich-Stabilisierung wird bei Krishnamurti angestrebt, sondern dessen Aufloesung. Das Ich, Selbst oder auch Ego (Krishnamurti unterscheidet hier nicht) ist fuer Krishnamurti hingegen die Ursache aller Konflikte. Das Ich, erklaert er, ist ein Produkt, eine blosse Struktur des Denkens: in sich selbst hat es keine Realitaet.(Krishnamurti 1984, S. 22).
Denken
Das Denken kann keine Loesung fuer unsere Konflikte darstellen, ebenso wenig aus dem Denken entstammende Weltanschauungen, bestimmte Werte, persoenliche Ansichten etc. Denken ist ein trennender, analytischer Vorgang und kann niemals die Wirklichkeit sein. Vielmehr stellt es eine Reflexion unserer persoenlichen, konditionierten Sicht der Dinge dar.
Das Denken ist ein Vorgang in Zeit und Raum. Das Denken ist Gedaechtnis, die Erinnerung an Vergangenes. Das Denken ist die Aktivitaet des Wissens. Wissen ist niemals vollstaendig. Es geht immer Hand in Hand mit Unwissenheit.“
Erziehung
Krishnamurti kritisiert unsere einseitige Betonung des Erwerbs von Wissen und die moeglichst konfliktfreie Einordnung in die Mechanismen unserer Gesellschaft mit ihren Werten und Traditionen, in welcher Leistung und Erfolg oft an erster Stelle stehen. Demgegenueber sollte wahre Erziehung dem Schueler helfen, alle gesellschaftlichen Unterscheidungen und Vorurteile zu erkennen und bei sich niederzureissen (Krishnamurti o.J., S. 44). Eine solchermassen ausgerichtete Erziehung soll den Schueler oder das Kind jedoch nicht dazu ermutigen, von vornherein Konventionen oder Umgangsformen zu missachten “dies waere nur eine Reaktion auf die Gesellschaft und kein freies Handeln“ sondern es soll vielmehr nach den Auswirkungen und den Ursachen unserer korrumpierenden Gesellschaft in uns selbst geforscht werden.
Offensichtlich haben Erziehungskonzepte oder Reformen keine grundlegende Veraenderung gebracht: Ohne das ganze komplexe Wesen des Menschen zu verstehen, wird blosse Reformierung nur das verwirrende Verlangen nach weiteren Reformen erzeugen.(Krishnamurti 1984, S. 9). Nur das Fragen nach, und das Verstehen von uns selbst und nicht die Uebernahme von Methoden, Grundsaetzen, Autoritaeten oder Idealen koennen demnach eine echte Wandlung bewirken:
Was ist Erziehung? Es ist im wesentlichen die Kunst des Lernens, nicht nur aus Buechern, sondern durch die ganze Bewegung des Lebens.Buecher sind wichtig, aber weit wichtiger ist es, jenes Buch, das Ihre eigene Geschichte ist, zu studieren.
(Lernte Krishnamurti 1985 bei einem seiner letzten oeffentlichen Auftritte in Saanen kennen.)