Nachspiel zu HARTHAUS (Selbstgespraech)

Mathias borgte mir das Buch. Der hatte es von einem gemeinsamen Bekannten, der sich uns beiden zuerst als ‚Filmfreak’ vorstellte, spaeter aber als Schriftsteller und Dichter entpuppen wollte.

Da ich mit zunehmendem Alter eine fast notorisch zu nennende Abneigung gegen romanhaftes Schriftgut entwickelte, ueberlegte ich kurz, ob das mir unbekannte Buch – von Mathias bereits schon vorher gelesene, und mir alsbald zum Auch-Lesen empfohlene – ob dieses Buch, unter all dem mir unter die Augen gekommenen romanhaften Gebilden, vielleicht doch eine lesenswuerdige Ausnahme sein koennte. (Auch weil ich M. als Leser ziemlichr guter Literatur kenne.)

Ich begann die Lektuere. Zoegerlich.

Die loeste bei mir bald eine gewisse Unruhe aus. Was ich mir allmaehlich nur aus der eigenen persoenlichen Biographie erklaerte. Denn – nolens volens – kamen mir Teile der Handlungsstraenge, seltsam bekannt vor.

Der Ausgangspunkt der Geschichte: eine Person, die sich ausufernde ‚kuenstlerische‘ Aktivitaeten leistet. die sie sich von anderen Leuten bezahlen lassen will. Aktivitaeten, die fuer den Initiator solcher Kaprizen in einer Katastrophe enden.
Im Bankrott.

Ich sprach den Autor auf der Strasse an. Mit dem Ansinnen, seinen Roman evtl. ‚bebildern’ zu wolle.
Ich erhielt ein eigenes Exemplar seines Buches. Die Uebergabe fand in der Weinstube X statt.
Im Anschluss begannen wir einige unserer ‚Geistesgueter‘ auf einander abzuschiessen. ( testartig.)
Ich kam als Erster dran, boshafterweise mit etwas mir vertraut Visuellem, der beruechtigte ‚Möse’, L’origine du Monde’, von Courbet. Die kannte er. (Sexuelles, Erotisches ist ein auffallender Teil des Romans.)
Aus heiterem Himmel, kam dann W., der Autor, auf ein Buch von V. Nabokov zu sprechen: ‚Pale Fire’.
‚Pale Fire’ kannte ich seit meinen amerikanischen Tagen. Merkwuerdig beruehrt hat mich schon damals dieses miese ‚Dichtwerk’, mit dem Nabokov sein Werk gleich eingangs, wie mit einen Paukenschlag, beginnen laesst. Daraus dann Weiteres – Monstroeseres – entwickelt.

Dieser geradezu laecherliche dichterische ‚Erguss’, geht mir heute noch nach. Fuer mich einer der wenigen literarisch initierten Schocks; bei allem was ich mir zu kreieren, zu ‚schaffen‘ erlaube, begegne ich diesem faden Dichterling wieder. Bei jeder neukonzipierten ‚kuenstlerischen‘ Arbeit unter groesseren oder kleineren Furchtanfaellen, gepaart mit Aengsten, mich ‚schoeferisch‘ zu verrennen. Gepaart auch mit der Paranoia, dass ich bereits so verrueckt sein koennte, den Wert meiner eigenen ‚Werke‘ voellig zu verschaetzen. Am Ende, nur ein groessenwahnsinniger ‚Trash-Artist’ zu sein.
Die Dollars am Ende aufgebraucht – siehe ‚Harthaus’ –
und die Kunst ‚mausedood‘.

Nabokovs Vorspiel zu ‚Pale Fire‘ ist eine seltsam grandios negative Erfindung. Garniert mit dem Schrecken des WEITERLESENMUESSENS.
Angelegt mit der Ahnung einer VORAB-KATHARSIS.

Die Verbindung zu HARTHAUS?
Dass W., der Autor von Harthaus, fast instinktiv(?) auf ‚Pale Fire’ zu sprechen kam, kann nicht zufaellig gewesen sein – Denke ich. Dachte ich.
Die Geschichte einer riesigen Verschuldung, die sich die Hauptperson durch eine total verkrachte Filmproduktion auf sich lud, mit filmischen Erguessen, die beim Publikum wenig Anklang fanden, weil sie quasi ins Leere produziert wurden. Manisch Produziertes, das durch irgendeinen selbstisch abstrusen Gehirndruck erzeugt wurde, um mit den eigenen Botschaften (Tollheiten), unter den Mitmenschen vorstellig zu werden.

Dann, als extremes Resultat dieser ‚Verausgabungen’: die unfreiwillig-freiwillige Flucht vor den Glaeubigern, an einen Ort, hier ’Harthaus’ genannt, wo man sich in kloesterlicher, exerzitienhafter Abgeschiedenheit – voerst – aufgehoben waehnen, von den Schulden, und von sich selbst, vorerst entlastet.

Von Anderem weniger.

Was ist dieses Andere?
Nachdem man – nach der grossen Pleite – nicht mehr weiss, wo man sich in dieser Gesellschaft eigentlich noch aufhalten darf. (Der Suizid winkt!)
‚Schuldtuerme’ gibt es ja nicht mehr. Oder steht das erfundene ‚Harthaus’ fuer einen heutigen Schuldturm? In dem seltsamen ‚Zonenrand-Schloss’? Mit einer quasi „erloesenden“ Kartoffelfronarbeits-Ideologie? (Eine vom Autor des oefteren seltsam hymnisch gepriesenen.)

Letztlich, das Konstrukt dieser Institution, als einer sich selbst tragenden und erhaltenden? Mit “suehnendem“ Anstrich? Mit einem Staat im Hintergrund, der – laut Autor – solchen ‚Formen’ der Selbshilfe, wie der durch das ‚Harthaus’ voexerzierten, feindlich gegenueber stehen wuerde? Ein Staat, der am Ende dieses Gebilde auch zerschlaegt.

Ein Ratschlag: „Scharf sparen!“. Um frei(?) sein zu koennen?
Das ‚Boxen’ nicht vergessen? Dem Anderenn gelegentlich die Fresse einschlagen? Als Teil der Exerzitien?

Ein ziemlich interessantes Buch. Zum nachzudenken. Fuer mich zumindest.
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Die ‚Bebilderung’ dieses Werkes koennte ein Problem werden.
Es gibt in HARTHAUS eigentlich nichts konkret Abzubildendes.

Harthaus sollte nachempfunden werden.

(Krude, brutale Schwarzweiszeichnungen in der Richtung der Manier von Kindern.
Verduennt Skizzenhaftes: Ver-Strichungen nach Innen.)

02.08.2015

Nachwort. Evtl. auch Weiterzudenkendes. Vielleicht…

Nabokovs Desillusionierungen.