Boulez, Aimard, Berlin Philharmonic

Sehr analytisch, subtil exekutiert. Wie gewohnt: Ein Bartok von Boulez.


Auch den ‚Linkshaender‘ Ravels elegant in Schwung gebracht.
Aimard am Fluegel.
Fast komisch, wie der Pianist mit der Linken ueber die Tasten fegt; die Rechte aber gelassen am Klavierrand abstuetzend. – (Wie wohl Wittgenstein das Stueck gespielt hat, dachte ich. Und welchen Einfluss das auf das Spiel  hatte, wenn tatsaechlich der rechte Arm fehlte. Also quasi ohne Netz gespielt werden musste? )

Dann ploetzlich: Aimard in Hochform. Bei kleinen Zugabe nach dem Ravel. Ein Paar der bald folgenden ‚Notations‘ von Boulez, in der urspruenglicen Klavierfassung. Hinreissend! Der Hoehepunkt des gestrigen Abends.

Befremdlich danach; die lange Orchester-Umbauphase fuer Boulez‘ „Notations“ in der spaeteren Orchesterfassung.
Befremdlich leider auch das Dirigat durch Boulez selbst: versteinert, die Augen kaum aus dem riesigen Notenkonvolut hebend.
Droehnend der riesige Orchesterapparat, laut und undifferenziert: eine grausige Satire auf das geniale Spiel von Aimard.

Kurzer hoeflicher Beifall.

Kritik im RBB:

Philharmonie Berlin: Berliner Philharmoniker unter Pierre Boulez

Mit Pierre-Laurent Aimard am Klavier

Pierre Boulez, der große Komponist des 20. Jh., war gerade 11 Jahre alt, als Bartok seinen durch die Musikgeschichte inspirierten Streifzug der Musik für Streichorchester, Schlagzeug und Celesta komponierte. Gelassen, zu gelassen vielleicht, winkt Boulez die Philharmoniker durch dieses äußerst vielseitige Werk. Wo war der ungarische Pfeffer und der Humor? Auch der Spezialist der neuen Musik Laurent Aimard, bleibt zu glatt und unsinnlich bei Ravels Konzert für die Linke Hand. Der matte Beifall verwandelt sich zu Recht in Ovationen, als er wie verwandelt Boulez‘ Klavierfassung der anschließend erklingenden „Notations“ durchlebt. Plötzlich sprüht und funkt es, hat er auch uns etwas zu sagen. Leider sprang dieser Funke nicht auf die komplex wuchernde Orchesterfassung der Notations über. Merkwürdig, dass der Prophet Barenboim so viel mehr Leidenschaft und Tiefe erzeugen kann als der Komponist selbst. Er bleibt eine würdevoller und gelassener Hohepriester ohne Attitüde, der glaubt, alles spräche von allein. Leider ein Irrtum.
Clemens Goldberg, kulturradio

Stand vom 05.06.2009