Michael Triegel (‚Sehnsucht nach dem Wunderbaren‘)

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…Triegel selbst – der beileibe nicht der Erste in der Kunstgeschichte ist, der Jesus nackt zeigt – sieht den
„Fall Würzburg“
mittlerweile eher gelassen. „Damals war ich aber schon verletzt, weil ich das Gefühl hatte, es sei nicht wirklich darüber geredet worden“, sagt der Maler dreieinhalb Jahre danach. Der mit dem in die Stirn fallenden langen Blondhaar jugendlich wirkende fast 40-Jährige (er hat am 13. Dezember Geburtstag) macht nicht den Eindruck des knallharten Kirchenkritikers und polternden Provokateurs. Er blickt in die Welt wie einer, der auf der Suche ist, der weniger durch Denken als vielmehr durch die Versenkung in seine Arbeit zu Erkenntnissen kommt. Die können – müssen aber nicht – mit denen des Christentums übereinstimmen.

Triegel nähert sich der Konzeption seiner opulenten Gemälde nicht mit dem Intellekt. Bildideen entwickelt der Familienvater bei Spaziergängen, sie kommen ihm aber auch im Traum. „Ich frage nicht zuerst ,Was bedeutet das?‘, ich denke zunächst visuell“, erzählt er. Während der Arbeit an einem Gemälde, die sich bei großformatigen Bildern über ein Jahr hinziehen kann, wird die grundlegende Bildidee zusätzlich „aufgeladen“, wie Michael Triegel das nennt – einerseits. Andererseits lädt die Arbeit an dem Bild auch den Geist des Maler auf. „Ich versuche herauszufinden, was das, was ich male, mit mir zu tun hat. Meine Bilder sind ein Teil von mir.“ Die Inhalte der Bilder – der Querschnitt im Museum am Dom dürfte repräsentativ sein – kreist sehr oft um christliches Gedankengut. Symbole wie Ei, Fisch oder Lilie, die sich, altmeisterlich-akribisch ausgeführt, in Triegels Bildwelten finden, haben eine Jahrhunderte alte Tradition in der Kunstgeschichte. „Am Ende“, grübelt der Maler, „ist das Kunstwerk – wenn’s denn eines ist – klüger als der Autor.“ Soll heißen: In einem Triegel-Bild steckt im Idealfall mehr drin, als der Maler bewusst hineinstecken wollte. „Ich selbst sehe nach Jahren in meinen Bildern Dinge, an die ich zunächst gar nicht gedacht habe,“ bekennt er.

„Ich bin ein Heidenkind“, antwortet Michael Triegel augenzwinkernd auf die Frage, ob er denn ein religiöser Mensch sei, wo doch sehr vielen seiner Bilder religiöse Motive zugrunde liegen. Triegel, geboren in Erfurt, wuchs in der DDR auf, wurde, der Doktrin des real existieren Sozialismus entsprechend, atheistisch erzogen. Er habe aber Sympathien für den Katholizismus, sagt er. Zudem glaubt er, dass 2000 Jahre christlicher Kultur auch einen Ungläubigen prägen – ob der nun wolle oder nicht. Er selbst hänge sich immer wieder „aus einer Sehnsucht heraus“ ans christliche Motiv. Es sei – ähnlich wie bei Richard Wagner – vielleicht eine „Sehnsucht nach Erlöstsein“.

Natürlich spielten seine Erfahrungen mit der DDR eine gewisse Rolle. Ständig musste er mit einer „Schere im Kopf leben“, das „Repetieren des kommunistischen Manifests“ sei ihm auf die Nerven gegangen. Kunst habe für ihn einen Ausweg aus der geistigen Enge bedeutet, meint er. Seine Vergangenheit im Arbeiter- und Bauernstaat wolle er aber nicht hochspielen. „Ich war 21, als die Mauer fiel, ich hatte nichts auszustehen.“

Sein Handwerk lernte Triegel erst nach dem Zusammenbruch der DDR. Er malt wie ein Meister der Renaissance, er komponiert seine Bilder, als sei er bei Michelangelo in die Schule gegangen (übrigens auch einer, der Christus nackt darstellte, und das detailgetreu).

Aber da ist dann auch der Blickwinkel des modernen Menschen, der traditionellen Motiven Überraschendes abgewinnt, der eine geheimnisvolle, manchmal verwirrende Verschmelzung von Alt und Neu erschafft. Da sitzt dann eben Jesus allein und gesichtslos an Leonardos Abendmahlstisch, und der Betrachter darf grübeln, warum eine einzelne Kirsche vor dem einsamen Erlöser liegt. Da mutiert das klassische Motiv der Muttergottes mit dem Jesusknaben zu „Vater und Tochter malen Mutter und Sohn“ – Marias Gesicht ist eine lustige Strichzeichnung.

Triegel weiß, dass es zunächst die schöne Oberfläche ist, durch die seine Bilder wirken. Doch für ihn ist die Technik, die er beherrscht wie wenige Zeitgenossen, nicht Selbstzweck. „Ich würde Videos drehen, wenn ich das, was ich sagen möchte, mit Videos besser sagen könnte.“ Für ihn aber sei die alte Technik – „ich weiß, dass das nichts Neues ist“ – das richtige Mittel, sich auszudrücken.

Triegel hat Erfolg damit. Er stellt international aus. Und für einen großformatigen Triegel muss der Käufer bis zu 80 000 Euro überweisen.

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