Unser Aermliches Farbvokabular

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Es herrscht ein auffälliger Mangel an Bildern auf der Welt.

Dieser Mangel an Bildern hat sich in unserem Aermlichen Farbvokabular niedergeschlagen. Nur für den kleinsten Bruchteil der Farben, die uns in Natur und Kunst begegnen, verfügen wir über Bezeichnungen. Die Kunstgeschichte begnügt sich damit, bestimmte Maler als große Farbenkünstler auszuweisen; über die speziellen Farbakkorde, die die Glasmalereien von Chartres und Saint-Denis aus dem 12. Jahrhundert oder Tizian oder de Kooning großartig machen, sagt sie wenig. Manche Kunsthistoriker halten Farbabbildungen in Kunstbüchern noch immer für eine Ablenkung vom Wesentlichen. Auf dem hochwichtigen Gebiet der Farbe ist die Kunstwissenschaft noch ganz in den Anfängen, weil die präzise massenhafte Reproduktion von Farbe noch ganz in den Anfängen ist.

David Gelernter
Aus dem Englischen von Michael Adrian.